Gesund und fit ins neue Jahr – Reflexion über das Älterwerden
Ich hoffe, dass Sie gut und gesund ins neue Jahr gekommen sind, und uns allen wünsche ich, dass endlich die Pandemie bald eingedämmt sein wird.
Inzwischen sind wir wieder ein Jahr älter geworden, worüber sich wahrscheinlich nur die Kinder richtig freuen. Denn: „Wer wird schon gern älter?!“
Über die „Ewige Jugend“ hat man schon immer nachgedacht. So hat Lucas Cranach der Ältere 1546 das Gemälde „Der Jungbrunnen“ gemalt. Es sind allerdings nur ältere Frauen auf dem Bild, die ins Wasser steigen und verjüngt wieder herauskommen. Komisch! Warum keine Männer? Egal, ob Mann oder Frau, es gibt keinen Zauber gegen das Älterwerden. Wir können nichts dagegen tun, es passiert einfach so. Und weil die Menschheit immer älter wird, gibt es jetzt auch viel alte Menschen. Über die längere Lebenszeit sollten wir uns freuen, dankbar sein und die Zeit nutzen. Das Leben kann doch so schön sein und das Alter ist auch kein Lehnstuhl, in dem man sitzt und einfach nur zuschaut oder nach innen blickt. Es kann sogar fruchtbar sein: Maler, wie Pablo Picasso gestorben mit 92 Jahren, Marc Chagall mit 98 Jahren, Musiker, wie Haydn gestorben mit 77 Jahren, Schriftsteller, wie Goethe gestorben mit 83 Jahren, Albert Einstein gestorben mit 76 Jahren waren bis ins hohe Alter kreativ und haben ihre Seele zum Ausdruck gebracht und damit zahlreiche Menschen beglückt.
Also, älter werden muss jeder. Die Frage ist nur: Wie? Wir sollen versuchen, klug und gut älter zu werden. Doch dazu müssen wir erst einmal unser Leben verstehen: So, wie es in der Natur den Wechsel der Jahreszeiten gibt, so laufen in unserem Leben die Lebensstufen ab: Im Frühling erwacht die Natur zum Leben, und der Mensch entwickelt sich in seiner Kindheit und Jugend. Er wächst heran, erblüht, ist voller Lebensfreude und Kraft.
Im Sommer, im Erwachsenenalter, ist die Zeit der Reife, der arbeitsreichen Aktivität, der Familienbildung.
Im Herbst genießen wir die goldenen Herbstfarben, es ist die Zeit der Ernte. Die Bäume verlieren ihre welken Blätter, werden durchsichtiger. Auch wir beginnen loszulassen und uns langsam den Aufgaben des Alters zu stellen.
Im Winter, wenn die Erde weiß wird (wie unsere Haare), stellt sich Ruhe, Stille ein, die von Wärme und Liebe erfüllt sein sollte. Es gibt aber auch oft Herbst- und Winterstürme und sogar Frost, mit Verlusten, Krankheit und Einsamkeit.
Wer einen Partner, Familie oder gute Freunde hat, wird sich nicht allein oder einsam fühlen.
Das Alleinsein muss auch nichts Negatives sein; denn man kann allein ein Buch lesen, Musik hören oder einen Spaziergang in der Natur genießen. Wenn aber z. B. nach einer glücklichen Ehe der Partner stirbt, kann der Überlebende in eine Einsamkeit stürzen, die zu Depressionen führen kann und professionelle Hilfe erforderlich macht. Darum sollte man in jedem Fall gegen die Einsamkeit etwas tun. Oft hilft da schon die Gesellschaft eines Haustieres. Außerdem lernt man beim Spaziergang mit einem Hund schnell andere Hundebesitzer kennen und kann Kontakte knüpfen. Soziale Kontakte sind für uns lebenswichtig. Wir brauchen den Gedankenaustausch und neue Anregungen. Zugang dazu findet man am besten in Interessengruppen. Auch in unserer Gemeinde werden Aktivitäten dieser Art für jedes Alter angeboten.
Übrigens, jeder ältere Mensch besitzt doch einen Schatz von Erinnerungen, mit bunten Bildern, Erfahrungen und Wissen. Wenn wir das anderen weitergeben, hilft es uns und vielleicht auch den anderen. Es ist jedenfalls eine Möglichkeit, miteinander in Kontakt zu kommen.
Ich habe neulich von einem 83-jährigen Herrn erfahren, dass er sich durch soziale Kontakte, Sport und gesunde Ernährung fit hält, weil er gesund sterben will. So kann man das auch sehen, und dadurch hat er eine lebensverlängernde Möglichkeit gefunden. Mir fällt dabei auch etwas ein: Man wundert sich manchmal, dass alte Menschen sich von neuem verlieben. Aber das ist für sie sicher eine Quelle der Lebensfreude und schließlich lebensverlängernd.
Natürlich hängt unsere Lebenserwartung in hohem Maße von unseren ererbten Genen ab. Es gibt auch keine Medikamente, die menschliche Zellalterung aufzuhalten oder rückgängig zu machen. Wir können auch ganz sicher nicht allen Altersbeschwerden und Krankheiten ausweichen. Aber durch kluges Verhalten, Nichtrauchen, durch fett- und zuckerarme Ernährung und durch körperliche und geistige Anregung können wir versuchen, unsere Zellen möglichst lange jung zu erhalten und unser Immunsystem zu stützen:
Lebensmittel, die Antioxidantien enthalten, wie frisches Gemüse, Obst, Nüsse und hochwertige Pflanzenöle sind wichtig für alle Zellen. Die Festigkeit der Knochen benötigt Kalzium (Milchprodukte), gewisse Gemüse (Brokkoli), kalziumreiches Mineralwasser. Gegen Arteriosklerose (zu viel Cholesterin) sollen wir tierisches Fett und Räucherwaren meiden und dafür Raps- und Olivenöl benutzen.
Der Schwund der Muskulatur mit der Folge von Stürzen hängt mit mangelndem körperlichen Training und zu geringer Eiweißzufuhr zusammen. Zu empfehlen sind Fisch, mageres Fleisch, Reis, Vollkorngetreideprodukte und Hülsenfrüchte.
„Bewegung ist die Ursache allen Lebens“, hat Leonardo da Vinci gesagt. Ja, Bewegung ist ganz wichtig, möglichst in frischer Luft. Durch vermehrten Sauerstoff werden alle Körperzellen besser durchblutet und unsere Gehirnzellen schütten außerdem das Glückshormon Serotonin aus. Darum haben wir nach Sport oder einem Spaziergang gute Laune. Auch unser Immunsystem braucht körperliche Aktivität.
So wie wir uns durch Sport körperlich fit halten können, so müssen wir auch unser Gehirn trainieren, um unsere geistige Frische zu behalten. Da im Alter die Zahl der Hirnzellen etwas abnimmt, ist das besonders wichtig. Das Gehirn muss angeregt werden, neue Verbindungen zwischen Nervenzellen zu bilden und die vorhandenen Kontakte zu aktivieren. Das geschieht durch neue Informationen, also durch neue Eindrücke, Gespräche, Interessen, Erlernen von neuen Sprachen, Reisen usw. Jede neue Erfahrung, jeder neue Gedanke bildet neue Zellverbindungen. Im Gehirn ist Platz für alles. Es gibt kein Gehirn, das voll ist. Das Gehirn mag keinen Winterschlaf, es freut sich über alles Neue, was Spaß macht und aktiv passiert und schüttet Serotonin aus.
Ich möchte Ihnen jetzt von einer 100-jährigen liebenswürdigen und humorvollen Dame berichten, die noch allein in ihrer Wohnung wohnt. Für mich ist sie das krönende Beispiel für ein gelungenes Alter. Sie ist sehr wackelig auf den Beinen, zeigt aber keine augenscheinlichen Erkrankungen. Ihre Tochter und ihr Enkelsohn kommen dreimal täglich im Auto zu ihr, morgens holen sie sie aus dem Bett und abends bringen sie sie wieder zurück. Tagsüber liegt die alte Dame hübsch angekleidet und gut frisiert auf der Couch und freut sich über Besuch. Man fühlt sich in ihrer Gesellschaft wohl. Wenn ich sie frage, wie es ihr geht, antwortet sie in ihrer rheinischen Mundart: „Jut, man muss dat Beste draus machen.“ Ich habe noch nie gehört, dass sie über Krankheiten oder Schwächen gesprochen hat. Sie ist dankbar für alles Empfangene und ist in sich gefestigt. Sie ärgert sich über nichts und niemanden und kann dadurch das genießen, was ihr geblieben ist. An Tagen, an denen es ihr besonders gut geht, fahren Tochter und Enkel mit ihr zum Frühstück der katholischen Kirchengemeinde, wo sie ihre alten Bekannten wiedersieht und in der Adventszeit wollen sie wie immer eine Lichterfahrt mit ihr durch Berlin machen. Frühere Zeiten haben die Alten hochgeschätzt. Sie waren der Reichtum eines Volkes: Als Mose auf dem Weg ins Gelobte Land vor dem Volk ein Lied singt, verweist er auf Gottes Willen und lenkt den Blick des Volkes auf die alten Menschen:
„Frag die Alten, sie werden es dir sagen.“ (Anselm Grün, Benediktinermönch, Autor).
Hannelore Krause