55 + Wandern in Neukölln

Wir waren wieder mal in Neukölln Zugegeben, Neukölln hat nicht den besten Ruf. Schmutzig und fest in arabischer Hand. Die Sonnenallee ist immer wieder Schauplatz gewalttätiger anti-israelischer/pro-palästinensischer Demonstrationen.
Um dem allem aus dem Weg zu gehen haben wir uns bei unserem Besuch auf einige historische Orte beschränkt auch um die Realität ein wenig auszublenden. Startpunkt war der S-Bahnhof Neukölln. Ein belebter, schmutziger Vorplatz empfängt uns. Über die Emser Straße gelangen wir zum Kirsten Heisig Platz. Kirsten Heisig war eine Hauptinitiatorin des
„Neuköllner Modells zur besseren und schnelleren Verfolgung von jugendlichen Straftätern“. Ihr Versuch, die Eltern, insbesondere Väter arabischer Schüler, einzubeziehen scheiterte jedoch meist. Sie starb,
vermutlich am 28. Juni 2010, durch Selbstmord. Vielleicht aus Enttäuschung über Nutzlosigkeit ihrer Bemühungen? Nachdenklich wandern wir weiter zum Körner Park. Franz Körner (1838 -1911) hatte viel „Kies“ mit Kies gemacht. Dadurch war er unabhängig, konnte reisen und Bücher darüber schreiben. Seinen Grundbesitz vermachte er Rixdorf wie Neukölln damals noch hieß. Einzige Bedingung: „Es soll auf dem Gelände ein Park angelegt werden, der meinen Namen trägt“. So geschah es. In einer der Kiesgruben entstand eine Parkanlage im Stil des Neobarock. Sie sollte nach dem Willen der Stadtväter „dem umgebenden Stadtviertel ein besonders schmuckvolles Gepräge geben……und zur Schaffung einer besonders bevorzugten Wohngegend anspornen“.
Das Gelände erlangte archäologische Berühmtheit als bei Bauarbeiten ein Reitergrab aus der Zeit der Völkerwanderung (300 nach Christus) gefunden wurde. Es ist heute im Märkischen Museum zu besichtigen.
Mit Aufnahme des Flugbetriebes in Tempelhof, dessen Einflugschneise direkt über dem Park verlief, verwahrloste der Park zunehmend. Trotzdem beschloss das Bezirksamt 1977 die Anlage wiederherzustellen. Kaskadenanlagen und Kanäle wurden saniert. Auf der Terrasse vor der Orangerie, die von Künstlern aus aller Welt für Ausstellungen genutzt wird und die auch ein kleines Cafe` beherbergt, stehen wieder Kübelpflanzen und die Staudenbepflanzung wurde erneuert. Ein Kleinod, erstaunlich sauber, und eine Zierde des Bezirks.
Neben dem Märchenbrunnen im Volkspark Friedrichshain und der Kaskade am Lietzensee ist der Körnerpark das bedeutendste neobarocke Bauwerk Berlins.
Wir wandern weiter über die Thomas und die Lessinghöhe -natürliche Höhenzüge, durch den Kiesabbau fast eingeebnet. Sie erhielten aber nach dem 2. Weltkrieg durch Trümmeraufschüttungen ihre alte Höhe zurück. Ironie der Geschichte.
Die folgenden Straßenzüge waren sauberer, die Hausfassaden schön restauriert und die Balkone zum Teil üppig bepflanzt. Jenseits der Karl-Marx-Straße kamen wir nach Bömisch Rixdorf. 1737 siedelten sich hier um die Richardstraße und die Kirchgasse bis zum Richardplatz protestantische Glaubensflüchtlinge aus Böhmen an. Friedrich Wilhelm der 1. hatte sie eingeladen. Nicht aus Nächstenliebe, sondern aus Eigennutz vermutlich. Er brauchte Arbeitskräfte. Am Ende der Kirchgasse wurde ihm ein Denkmal gesetzt. Ob Frau Merkel auch mal eins bekommt?
In der Richardstraße liegt auch der Comeniusgarten. Die Bürgermeister von Prag und Berlin sind die
Schirmherren des Gartens. Auf dem Grundstück stand seit 1905 eine üble Mietskaserne. Sie überlebte den zweiten Weltkrieg wurde aber 1971, auch wegen unhaltbarer sanitären Zustände, abgerissen. An ihrer Stelle wurde 1995 der Comenius Garten angelegt. Comenius (1592 – 1670) war ein evangelischer Theologe und Pädagoge. Durch den Garten ist ein Rundgang angelegt, der in mehreren Stationen den Lebensweg eines Menschen von der Geburt bis zum Tod nachzeichnet. Die Verbindung zwischen Comenius und dem Garten ist – vom Denkmal abgesehen – nicht sichtbar, sondern erschließt sich erst durch mündliche Erläuterungen. Es wurde deshalb auf Hinweisschilder verzichtet, um den Charakter eines Gartens zu bewahren und den einer Ausstellung zu vermeiden.

    Heute leben immer noch Nachfahren der böhmischen Glaubensflüchtlinge in Rixdorf. Zugleich ist der Anteil von Flüchtlingen aus den heutigen Konfliktregionen an der Wohnbevölkerung der Umgebung hoch. Damals nahm man 350 Flüchtlinge auf, gab ihnen Arbeit und Brot, ein Stück Land und Baumaterial zum Häuserbau. Heute ist das ungleich schwerer schon wegen der verfeindeten Religionen und Staaten. Und ein Ende der Konflikte ist nicht abzusehen. Am Karl-Marx-Platz, der bis 1945 Hohenzollernplatz hieß und von einem Denkmal für Kaiser Wilhelm dem 1. geziert wurde, endete unsere Tour.
    Hartmut Wieseke

    Anstehende Veranstaltungen

    Kategorien